Mit einem Mindestlohn gäbe es heute weniger Arbeitslosengeld II-Empfänger

Klaus Brandner

Zu der Diskussion über die Erfolge von „Hartz IV“ (Grundsicherung für Arbeitsuchende) erklärt der Arbeits- und Sozialpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Klaus Brandner, MdB:

Mit einem Mindestlohn gäbe es heute weniger Arbeitslosengeld II-Empfänger. Die Erfahrungen im Ausland liefern keinen Beleg dafür, dass ein Mindestlohn in Deutschland Arbeitsplätze vernichten würde.

Die Grundsicherung für Arbeitsuchende ist besser als ihr Ruf: Fast 400.000 Menschen wurden aus dem statistischen Dunkel geholt. Sie haben einen Zugang zu den Arbeitsmarktinstrumenten bekommen. Ehemalige Sozialhilfeempfänger sind heute in den Schutz der Sozialversicherung einbezogen und sie profitieren auch von der gegenüber der alten Sozialhilfe günstigeren Vermögensanrechnung.

Übrigens: Auch für die ehemaligen Empfänger von Arbeitslosenhilfe wurde mit der neuen Grundsicherung die Vermögensanrechnung günstiger. Die neue Grundsicherung hat somit neben einer im Vergleich zur alten Arbeitslosenhilfe strengeren Einkommensanrechnung auch Verbesserungen gebracht. Mit Hilfe wissenschaftlicher Institute arbeitet das Bundesministerium für Arbeit und Soziales aktuell an einer wissenschaftlichen Analyse und Bewertung der Reform.

Entscheidend ist, dass mit der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Möglichkeiten verbessert wurden, den Menschen beim Einstieg in einen Job zu helfen. Hierfür steht ein Fallmanagement zur Verfügung. Der Fallmanager kann auf einen breiten Strauß an Hilfen zurückgreifen. Das Fördern steht jetzt stärker im Mittelpunkt, die Betreuung vieler Arbeitsloser hat sich dadurch verbessert.

Nach einer längeren Anlaufphase zeigt sich: Zunächst wurde sehr stark auf Arbeitsgelegenheiten gesetzt, jetzt werden die verschiedensten Arbeitsmarktinstrumente besser genutzt. Während der Einsatz der Arbeitsgelegenheiten zurückgegangen ist, werden fast alle anderen Hilfen verstärkt angeboten. So hat die Zahl der Weiterbildungen gegenüber dem Vorjahr um 27 % (Bestand) bzw. die Zahl der Eintritte (Veränderung gegenüber Vorjahreszeitraum) sogar um 50 % zugenommen.

Die intensive Arbeit vor Ort in den ARGEN und Optionskommunen zusammen mit einer guten konjunkturellen Entwicklung, die entscheidend auf unsere Politik und die Vorarbeiten von Rot-Grün zurückgeht, lassen die Langzeitarbeitslosigkeit und auch die Zahl der Arbeitslosengeld II-Empfänger sinken. Die Zahl der Arbeitslosen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist gegenüber dem Vorjahr um gut 11 % gesunken.

Bei den Jugendlichen ist der Rückgang besonders kräftig ausgefallen. Hier gibt es in der Grundsicherung insgesamt fast 28 % weniger arbeitslose Jugendliche. Das ist ein Erfolg unserer Politik. Die besonders intensive Förderung und Betreuung von Jugendlichen macht sich hier bezahlt. Der Anteil der geförderten Jugendlichen an allen Maßnahmenteilnehmern lag im April mit fast 26 % fast dreimal so hoch wie ihr Anteil an allen Arbeitslosen. Die hohe Zahl von arbeitslosen Jugendlichen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende, die keine Schulausbildung haben (26,6 %), zeigt aber auch, wo Handlungsbedarf besteht. Hier sind die Länder in der Verantwortung, die im Rahmen der Föderalismusreform mit Vehemenz darauf bestanden haben, alleinzuständig für die schulische Bildung zu sein. Auch für den Bereich der Kindergärten und der frühkindlichen Betreuung besteht nach wie vor Handlungsbedarf. Aber auch die Unternehmen kommen ihrer Verantwortung für die Ausbildung der benötigten Fachkräfte nicht in dem erforderlichen Umfang nach. Nach wie vor gibt es trotz leichter Entspannungstendenzen mehr Bewerber als Stellen. Auch geht der Anstieg bei den Ausbildungsstellen überwiegend auf die außerbetrieblichen Stellen zurück.

Leider sinkt die Zahl der Arbeitslosengeld II-Empfänger nicht so stark wie die der Langzeitarbeitslosen. Dies macht ein zentrales Problem deutlich. Viele Fachleute vor Ort bestätigen, dass oftmals Löhne gezahlt werden, die nicht die Existenz sichern. Jeder fünfte Hilfebedürftige, d. h. rund 1,1 Mio. (Januar 2007), erhält parallel Arbeitslosengeld II und Erwerbseinkommen. Im März haben rund 500.000 Personen Arbeitslosengeld II bezogen, obwohl sie mehr als geringfügig beschäftigt und nicht arbeitslos gemeldet waren. Immer mehr Erwerbstätige beziehen neben ihrem Arbeitsentgelt Arbeitslosengeld II. Aber auch 92.000 Empfänger von Arbeitslosengeld I erhalten zusätzlich Arbeitslosengeld II, weil ihr vorheriger Verdienst zu niedrig war. Dies zeigt, dass wir Regelungen zum Mindestlohn brauchen. Andernfalls subventioniert der Steuerzahler unzureichende Löhne.