Haushalt 2010 im Stadtrat verabschiedet

Fraktionssprecher Reinhard Hemkemeyer fand deutliche Worte in Richtung CDU: "Früher galt: Stadt und Land, Hand in Hand, heute gilt: Faust auf Faust, hart ganz hart oder Wüst ganz wüst

Meine Damen und Herren, liebe Ratskolleginnen und Ratskollegen,
die SPD-Fraktion wird dem Haushaltplan, der Haushaltssatzung und dem Stellenplan zustimmen.
Das Jahr 2010 wird ein Jahr des Übergangs sein, für viele und in vielfacher Hinsicht. Daher ist es sinnvoll „eine Atempause“ zu nehmen, um unsere Bürgermeisterin Sabine Amsbeck-Dopheide zu zitieren, der wir auch an dieser Stelle unseren Dank und unsere Anerkennung für die Arbeit des vergangenen Jahres aussprechen. Ein herzlicher Dank gilt aber auch insbesondere den vielen Mitarbeitern der Verwaltung, die uns immer alle Fragen beantwortet haben.

2010 – Jahr des Übergangs / eine Atempause – warum?

„Wenn es regnet, werden alle nass“, sagt Sabine Amsbeck-Dopheide. Unsere schöne Heimatstadt mit 62% Exportanteil war und ist Teil der globalisierten Welt und voll von der Finanz- und Wirtschaftkrise erwischt worden. Auch heftiger, als wir es von der SPD vermutet hatten. Immerhin hatten aber wir letztes Jahr noch „vor Übermut und Größenwahn“ gewarnt, als die CDU-Fraktion noch glaubte „allen alles zu versprechen zu können und das sofort“ – mit Finanzierung aus der Portokasse.
Die langfristigen Folgen der Krise sind noch nicht endgültig absehbar, auch nicht auf die Entwicklung der Stadtfinanzen. Daher war und ist es geboten, im Rahmen der Haushaltsberatungen möglichst viel Gelassenheit und Kontinuität walten zu lassen. Dies ist im Wesentlichen gelungen. Harsewinkel ist und bleibt familienfreundlich und sozial gerecht, wie die reduzierten Beträge für Kitas und die Schulessen- und Frühstückszuschüsse zeigen.
Auch in anderen Bereichen haben wir einen ordentlichen und guten Standard. Da brauchen wir Vergleiche nicht zu scheuen. Wir stärken und unterstützen auch weiterhin das Ehrenamt in Jugend, Schule, Sport und Kultur. Das ist gut so. Dort wird viel wertvolle präventive Arbeit geleistet, die wir ansonsten anderswo in Folgekosten bezahlen müssten. Die SPD wird auch in den nächsten Jahren ein verlässlicher Partner des Ehrenamtes sein. „Gütersloher Verhältnisse“ mit Diskussionen über Hallenbenutzungsgebühren wird es mit uns von der SPD nicht geben. Das ist Sparen an der falschen Stelle.
Umgekehrt bedeutet dies aber nicht, dass gar nicht gespart werden muss. Es kommt zukünftig darauf an, „neue intelligentere Wege“ zu finden, die Dinge anders zu tun, ohne die Substanz zu gefährden. Wir haben im Finanzausschuss versucht, an der einen oder anderen Stelle aufzuzeigen, wie das in kleinen Dingen gehen kann. Dies „rettet nicht die Welt“, ist aber wichtig, denn wir müssen die Bürger auch beim Sparen mitnehmen. Insoweit waren die Diskussionen um reduzierte Steigerungen von Schulbudgets und der Eigenbeitrag der Politik in Sachen Fraktionszuschuss im HFWA ein gutes Beispiel. Und noch ein Lehrbeispiel gab es, das hoffentlich die CDU-Kollegen sensibilisiert hat. Wir sollten die zumutbaren Kürzungen von freiwilligen Leistungen für Vereine nicht davon abhängig machen, ob im jeweiligen Vorstand des Vereins CDU-Ratsmitglieder tätig sind, wie der nicht gekürzte DRK-Zuschuss zeigt.
Im Ergebnis bleibt: Der Haushalt 2010 ist finanziert. Die Stadt ist nicht pleite. Die schmerzhafte Neuverschuldung von 1,6 Millionen wird wohl eine buchhalterische Neuverschuldung bleiben, wenn die unterstellten Annahmen stimmen. Hier ist noch zu überlegen, ob wir heute noch einen Sperrvermerk für die Darlehensaufnahme setzen wie letztmalig im Krisenjahr 2003/2004.
Aus Sicht der SPD kann der Haushaltsplan heute verabschiedet werden und auch ohne Steueranpassungen für 2010. Es bedeutet auch ein wesentliches Stück Wirtschaftsförderung, wenn wir auch 2010 hinter den fiktiven Hebesätzen zurückbleiben und die Gewerbesteuerzahler mit 1,6 Mio Euro stützen, sowie bei Grundsteuer B die Haus- und Grundeigentümer sowie die Mieter mit ca. 0,54 Mio Euro. In Verbindung mit den Leistungen für Bildung, Ausbildung, Familien, Kultur, Sport bleibt Harsewinkel für die Unternehmen und für die Menschen attraktiv.
Meine Damen und Herren,
nun aber zu den wirklichen Big-Points der Zukunft. In Bezug auf die NKF – Haushaltsführung haben wir leider alle ein Jahr verschenkt. Daher können wir NKF in weiten Teilen immer noch mit Nichts Klarer- Furchtbar übersetzen, wie im Vorjahr. Aber trägt die Verwaltung hierfür die Alleinverantwortung, wie die CDU behauptet? Letztlich hat der alte Stadtrat 2009 daran im Hinblick auf die Kommunalwahl am 30.08.09 nichts mehr getan. Die jetzt kritisierten (zu) vielen Excel-Tabellen sind allesamt auf Wunsch der kamaral denkenden Stadträte „erfunden“ worden. Also fassen wir uns mal an die eigene Nase. Wir alle hier im Saal, zu mindestens diejenigen, die schon im alten Rat dabei waren, tragen selbst Verantwortung an der kritisierten Sachlage. Aber wir üben ja noch.
Die vorliegende NKF-Ergebnisrechnung und die Finanzplanung zeigen deutlich, dass wir in den Folgejahren an einer Einnahmeverbesserung durch Abbau der bisherigen städtischen Grund- und Gewerbesteuersubventionierung von rund 2,1 Millionen Euro nicht vorbei kommen werden, und dies aus folgenden Gründen:
Der Finanzierungssaldo der Investitionstätigkeit ist viel zu niedrig um den vorhandenen Investitionsstau aufzuheben und die vor allem ökologisch / energetisch notwendigen Modernisierungen der städtischen Gebäude bei Schulen und Kitas, sowie Pflichtaufgaben wie bei der Feuerwehr durchzuführen. Es ist grundsätzlich richtig, das Geld in den Taschen der Bürger zu lassen, wenn man es nicht braucht. Aber die gleichen Bürger erwarten auch eine verlässliche Infrastruktur, ordentliche Straßen, gute Schulen und eine funktionierende Feuerwehr. NKF zeigt, dass dies nicht möglich ist allein über Sparmaßnahmen. Alternativ bliebe nur eine neue Verschuldungswelle zulasten der zukünftigen Generationen. Das kann niemand wollen.
Die verkorkste Politik der CDU/FDP Bundes- und Landesregierung tut ihr Übriges und spart mit ihren Steuergeschenken für die Mövenpicks dieser Welt und andere Klientelen die Kommunen kaputt. Harsewinkel fehlen auch immer noch etwa 2 Millionen Euro aus dem „Solidarfond Deutsche Einheit“, die wir zu viel bezahlt haben. Das ist der „wahre Raubbau“ auf Kosten der Bürger, nicht eine wohl unvermeidbare Grund- und Gewerbesteueranpassung ab 2011. Während zu Johannes Raus Zeiten galt: „Stadt und Land, Hand in Hand“, gilt jetzt wohl „Faust auf Faust, hart ganz hart“ oder „Wüst ganz wüst“.

Natürlich macht auch uns das Drehen an der Steuerschraube keinen Spaß, aber in Abwägung der Prioritäten zu einer nachhaltigen Neuver-schuldung sind Steueranpassungen eindeutig vorzuziehen. Die kommunale Infrastruktur hat ihren Preis und der muss nun mal bezahlt werden. Und da sind dann Anpassungen von z.B. 30 Punkten Grundsteuer (Beispiel: ca. plus 2,50 Euro / Monat bei Grundsteuermeßbetrag 100) oder 10 Punkten bei der Gewerbesteuer (Beispiel: ca. plus 15,00 Euro/ Monat bei 50.000 Euro zu versteuerndem Jahresgewinn) zumutbar für eine vernünftige Infrastruktur.

Meine Damen und Herren,
verbunden werden sollte dies dann mit einer intelligenten Investitions- und Sparpolitik. Neuer zusätzlicher Gebäudebestand ist nur noch dann finanzierbar, wenn wir uns gleichzeitig von altem Gebäudebestand trennen. Das gilt auch für die Sport-und Bürgerhalle in Marienfeld. Der Mehrheitsbeschluss des Schul- Kultur- und Sportausschusses, das Objekt in die Finanzplanung 2012 aufzunehmen, ist nur ein politischen Lippenbekenntnis ohne reale Finanzierbarkeit. Das Problem verschärft sich dadurch, dass wir eine abgängige Gymnasium-Sporthalle in Harsewinkel ersetzen müssen. Oder auch, so bitter es auch ist: Das Objekt ist strukturell und finanziell „mausetot“, sofern nicht ein langjährig anhaltendes Konjunkturwunder passiert. Lieber jetzt dazu eine ehrliche Aussage von uns, als den „Leidensweg der Ehrenamtlichen“ in dieser Sache weiter zu verlän-gern. In dem Punkt sind wir ausnahmsweise mit Bundes – Gu i do einig.
Runter auch mit den städtischen Grundstückspreisen. Der Markt hat sich angesichts des hohen Altbau(sanierungs-)bestandes längst von unseren Preisen verabschiedet. Hier sind Einnahmen generierbar und Unterhaltungsaufwand einsparbar. Und in diesem Zusammenhang: Das vom HFWA gestrichene Altbausanierungsprogramm war und ist notwendig, nicht nur aus Verantwortung zum Klimaschutz, sondern auch aus sozialpolitischen Gründen. Denn es stärkt auch das stadtnahe Mehrgenerationenwohnen.

Soweit der notwendige Ausblick in die Zukunft. Nun aber zurück in die Gegenwart. Was ist geboten, was ist zu tun?
1.) Der HFWA hat ab sofort zukünftig dreimonatlich die Ergebnisent-wicklung zu betrachten, die Finanz- und Zahlungsströme zu wer-ten. Fürs Protokoll: Bitte betrachten Sie dies als Antrag!
2.) Machen wir uns auf die Suche nach dem wirklichen sog. strukturellen Defizit, sofern es in Harsewinkel jemals eins gab und eins gibt. Ich persönlich glaube nicht, dass wir in Harsewinkel bisher über unsere Verhältnisse gelebt haben.
3.) Ein sinnvolles Kennzahlencontrolling, „kein Datenmüll“, ist durch den Kämmerer zusammen mit dem Rechnungsprüfungsausschuss aufzubauen. Fürs Protokoll: Bitte betrachten Sie dies als Antrag!
4.) Die Quartalsberichte alter Art, Ausdruck kameraler Haushaltsfüh-rung haben sich überlebt und können eingespart werden. Je schneller auch wir uns von der alten Welt verabschieden, umso besser. Außerdem ersparen wir damit der Verwaltung Mehrauf-wand und geben dieser Zeit für „mehr schlaue NKF“.

Und: Der Haushalt 2010 muss heute unter Dach und Fach gebracht werden, damit es losgehen kann. Es wäre verantwortungslos den Haushalt heute aus parteitaktischen Gründen scheitern zu lassen. Hier ist besonders die CDU gefordert. 99,995% des Haushaltsplans sind auch mit der CDU verabschiedet worden. Es gibt keinen substanziellen Grund bei diesen Zahlen einen Haushaltsplan abzulehnen. Gerade nicht für eine Volkspartei, die die CDU doch sein will. Die Ablehnungsgründe der CDU, im HFWA von Frau Dr. Wensing vorgetragen, haben eher Sandkastenniveau nach der Devise „ihr habt mir mein Förmchen (4 Wochen Vertagung) weggenommen“, also „spiel ich nicht mehr mit euch“.
Selbstverständlich darf man als Fraktion einen Gesamthaushalt ableh-nen. Haben wir auch schon getan. Aber dann muss es auch materielle Substanz haben. Die Ablehnung der CDU hat das nicht. Daher noch einmal: In vier Wochen sieht der Haushaltsplan 2010 genauso aus wie heute, die Strukturen sind die gleichen wie heute. Wir sind nichts klüger, weil auch die notwendige NKF-Sacharbeit bis dahin nicht abgeschlossen werden kann.
Und, liebe Unionsfreunde, bedenken Sie auch die politische Wirkung ihrer Entscheidung, für die die Bevölkerung ganz sicher kein Verständnis haben wird. Auch SPD, Grüne, UWG und FDP haben sich bei den Etatberatungen von dem einen oder anderen liebgewonnen Projekt durch CDU bestimmtes Mehrheitsvotum verabschieden müssen. Warum sollten wir dies zukünftig weiter tun, wenn die Union die Gesamtverantwortung scheut? Zumal durch die CDU- initiierte Beschlussfassung im Rechnungsprüfungsausschuss mit der veränderten Eröffnungsbilanz 2009 auch einiges auf dem Spiel steht.
Liebe CDU‘ ler, eurer „Nein“ kann auch dazu führen, dass sich unterjährig und beim Haushalt 2011 eine strukturelle Sachmehrheit jenseits der CDU festigt. Ich betone, dass dies weder Absicht noch Wille der SPD ist. Wie schon häufiger gesagt, wir machen hier alle Kommunalpolitik für unsere Bürger und unsere Stadt. Wir sind nicht im Bundestag, Koalitions- und Oppositionsrollen sind im Stadtrat überflüssig.
Es wäre also schade, wenn die Union in der Schmollecke verbleibt. Hier hilft nur eine alte Weisheit der Dakota-Indianer: „Wenn du entdeckst, du reitest ein totes Pferd, steig ab und suche nicht nach einer besseren Peitsche“.
Liebe Union, seid Volkspartei und bekennt euch zu eurer Gesamtverantwortung für den Haushalt. Ihr brecht euch dabei keinen Zacken aus der Krone. Glück auf!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.