Güterverkehr auf der TWE – Linie erhalten und Wiederaufnahme des Personennahverkehrs prüfen

TWE-Strecke in Gefahr?!
Schienenverkehr vor dem Aus? -SPD wird aktiv!

An den Rat der Stadt Harsewinkel

Sehr geehrte Damen und Herren,

zum Thema TWE-Strecke stellt die SPD-Fraktion folgenden Antrag:

Die SPD-Fraktion im Rat der Stadt Harsewinkel beantragt, umgehend in den zuständigen Gremien die Diskussion über die aktuelle Situation zur TWE-Strecke zu führen, die hierzu notwendigen Gremien zu beteiligen und unter Beteiligung des Kreises und/oder des Zweckverbandes VVOWL/NWL als Aufgabenträger die notwendigen Ermittlungen vorzunehmen, die Entscheidungsprioritäten zu setzen und die Zeithorizonte zu ermitteln.

Begründung:
Der Infrastrukturbesitzer TWE/Captrain/SNCF stellt offensichtlich den Erhalt der Infrastruktur der TWE und den Schienengüterverkehr in Frage. Nach den bisher bekannt gewordenen Informationen sieht die TWE als Infrastrukturbesitzer und -Betreiber (die TWE ist über Beteiligungen ein Tochterunternehmen der französischen Staatsbahn SNCF) eine Chance der Verbesserung des Betriebsergebnisses darin, zusätzlich Schienenpersonennahverkehr (SPNV) auf die vorhandene und zu renovierende Infrastruktur zu holen und damit zusätzliche Mieteinnahmen zu erzielen, sowie die öffentliche Hand als Mitfinanzierer der Renovierung und des Unterhalts des Schienennetzes zu gewinnen.

Da Auswirkungen auf den Haushalt 2011 und die kommenden Dekaden wahrscheinlich sind, sollte bereits die Sommerpause für die notwendigen Recherchen genutzt werden.

Grundsatz: Vorrang für den SPNV auch im ländlichen Raum
Ohne Frage ist die Verlagerung des Individualverkehrs auf die Schiene, hin zum Schienenpersonennahverkehr (SPNV), ein grundsätzlich erstrebenswertes Ziel jeglicher Verkehrspolitik.

Der Kreis und die Kommunen sind zwar nicht die Aufgabenträger für den Güterverkehr. Dennoch hat gerade die Stadt Harsewinkel ein spezifisches Interesse auch am Erhalt des Güterverkehrnetzes. Wir beantragen daher die Unterstützung der TWE und die Beteiligung der Wirtschaftsförderer bei Stadt und Kreis bei der Ermittlung zusätzlich in Frage kommender Güterverkehrskunden, evtl. einschl. der British Forces Germany (BFG).

Prioritätensetzung, Ermittlung der Zeithorizonte:
Da der Zeitbedarf für die Renovierung und Reaktivierung von Strecken sowie die Neueinrichtung eines Schienenpersonenahverkehrs (SPNV) eher in Dekaden zu berechnen ist und die notwendigen Planungsinstrumente- und Abstimmungen in den vielfachen zuständigen Gremien ebenfalls längeren Zeitbedarf haben, sind im ersten Schritt Prioritäten für weitere Prüfungen zu setzen und realistische Zeithorizonte zu ermitteln.

Was interessiert die Stadt als erstes?
Für den Fall, dass die Prüfung der Option „SPNV auf die TWE-Strecke“ als eine der möglichen und realisierbaren Optionen eingeschätzt wird, benötigt die Stadt zusätzliche Informationen. Dazu gehören die Höhe der Aufwendungen für die Einrichtung der Infrastruktur und den Erhalt des SPNV für die Dauer des Verkehrsvertrages.

Kostengruppe Renovierung/Herstellung der Infrastruktur:
Welche Einmalkosten kommen auf die Stadt Harsewinkel zu, um eine für den SPNV geeignete Strecke und ein geeignetes, attraktives Betriebskonzept herzustellen?

Hier wären folgende Stichworte zu nennen:
– Schieneninfrastruktur mit Überhol- und Abstellgleisen
– Einrichtung der Leit- und Sicherungstechnik, z.B. mit der Option Einbindung in die DB-Strecke im Hbf Gütersloh
– Beseitigung und/oder Neueinrichtung von Bahnübergängen mit technischen Sicherungen. Beispielhaft: für die Neueinrichtung eines techn. gesicherten Bahnübergangs kann nach Eisenbahnkreuzungsgesetz mit Kostendrittelung der kommunale Anteil geschätzt ca. 80.000 Euro und mehr betragen. Wir haben beispielhaft ohne Anspruch auf Vollständigkeit 27 Bahnübergänge zwischen Greffen und Marienfeld ermittelt. U.a. führt die Bahnstrecke durch den Golfplatz in Marienfeld.
– Herstellung der zugehörigen Infrastruktur auf städt. Gebiet an Bahnhöfen und Haltepunkten wie Park&Ride, Park&Bike mit Fahrradunterstellmöglichkeiten, Regenschutz, Beleuchtung, Info-Systeme, Abfallbeseitigung, Toiletten, Gestaltung, Reinigung und Pflege des Umfelds, Verknüpfung mit Busverkehren.
– Einbau von Lärmschutzmaßnahmen. Vor technisch nicht gesicherten Bahnübergängen müssen die Triebwagen u.W. pfeifen mit einer vorgeschriebenen Lautstärke von über 100 dbA. Nicht nur bei einem evtl. halbstündlichen Zugverkehr in der Hauptverkehrszeit kämen auf die Anlieger erhebliche neue Emissionen zu. Welche Maßnahmen zum Lärmschutz sind angedacht, möglich und durch wen finanzierbar?
– Welche Fördergeber könnten sämtliche notwendigen Maßnahmen (Infrastruktureinrichtung und Betrieb) wann unterstützen und ggf. in welcher Höhe?

Kostengruppe SPNV-Betrieb und Unterhalt der Infrastruktur:
– Welche dauernden Kosten kommen für die Dauer des Verkehrsvertrages auf die Stadt Harsewinkel zu, um eine für den SPNV geeignete Strecke und ein geeignetes, attraktives SPNV-Betriebskonzept zu erhalten?
– Mit welchen Fördermöglichkeiten (Regionalisierungsmittel) kann der Zweckverband VVOWL auf Dauer rechnen?
– Mit welchen laufenden Betriebskosten muss die Stadt rechnen, um die eigene zusätzlich notwendige Infrastruktur (rund um Bahnhöfe, Haltepunkte) zu pflegen und zu erhalten?
– Welcher Verteilerschlüssel könnte für die beteiligten Kommunen, den Kreis gelten, wenn von der TWE/dem Zweckverband jährlich Betriebskostenzuschüsse der Kommunen von 1 Million Euro erwartet werden. U.W. wurden bisher verschiedene Abschnitte betrachtet, u.a. Versmold – Harsewinkel – Gütersloh – Verl, nur Gütersloh – Verl und Gütersloh – Harsewinkel.
– Auch hier die Frage: Welche Fördergeber könnten sämtliche notwendigen Maßnahmen (Infrastruktureinrichtung und Betrieb) wann unterstützen und ggf. in welcher Höhe?

Städtische und überregionale Verkehrsplanung:
Nach eigenen Angaben (Presseinformation) verlädt die Firma Claas derzeit ca. 50 Prozent der Produktion über die Schiene.
– Welche verkehrlichen Auswirkungen wären zu erwarten, wenn die weiteren 50 Prozent ebenfalls über die Straße verladen würden?
– Wären ggf. Erweiterungen der Straßeninfrastruktur notwendig oder möglich?
– Was würde das ggf. für die Stadt kosten?

Fahrgastprognosen und Fahrgeldeinnahmen verifizieren:
– Welche Auswirkungen oder gar Einsparpotentiale ergeben sich für die außerstädtischen/regionalen und innerstädtischen Busverkehre insbesondere unter Berücksichtigung der Schülerverkehre und der Schulstandorte?
– Welches Busverkehrskonzept in Verbindung mit dem SPNV ist angedacht? Bliebe die Busverbindung Versmold – Harsewinkel – Gütersloh, incl. Schnellbus, in vollem Umfang erhalten oder wäre von Veränderungen auszugehen?
– Von welchen Fahrgastprognosen wird ausgegangen und welche Zielverkehre von wo nach wo mit welchen Nutzern und deren Wohnquartieren und Arbeitsplätzen werden angenommen?
– Passen dazu die „alten“ Haltepunkte oder müssen Anpassungen an die Siedlungsstruktur erfolgen?

Rechtliche Rahmenbedingungen für eine evtl. Streckenstilllegung:
Unausgesprochen steht eine Ankündigung im Raum, dass die Strecke für den Eigner SNCF nicht rentierlich ist, wenn nicht zusätzlicher SPNV oder Güterverkehr auf die Strecke kommen. Hier sehen wir Klärungsbedarf, ob und unter welchen Umständen mit welchem Zeitablauf eine Streckenstilllegung grundsätzlich möglich wäre.

Freundliche Grüße
Reinhard Hemkemeyer
(Fraktionssprecher)