

“ Meine Damen und Herren, liebe Ratskolleginnen und Ratskollegen,
die SPD-Fraktion hat die feste Absicht, heute, wenn möglich im Konsens, einen Haushaltplan, eine Haushaltssatzung und einen Stellenplan zu verabschieden. Es wird allerdings im Anschluss noch einen Antrag zum Thema Umbau St. Johannes-Schule geben, den unser Kollege Norbert Lüffe vortragen wird.
Angesichts vieler Aufgeregtheiten in diesen Tagen lohnt sich ein Blick zurück. Morgen vor einem Jahr haben wir den Haushalt 2010 verabschiedet. Wer den Haushalt 2011 verstehen will, muss ein Jahr zurückblicken. Unsere Bürgermeisterin forderte uns damals auf, eine Atempause zu nehmen.
Schon im Mai 2010 verfielen wir gemeinsam in eine vorübergehende „Schockstarre“, denn die Wirtschafts- und Finanzkrise hatte uns voll im Griff. Trotz vorsichtiger Planung des Kämmerers blieben die Steuereinnahmen aus. Haushaltssperre, Sondersitzung um Sondersitzung, sparen, hoffen, sparen und noch mal sparen war die Devise. Trotzdem blieb die Erkenntnis, dass die Summe maximaler Einsparungen einerseits und maximaler Steuererhöhungen andererseits nicht ausreichten, um einen ausgeglichenen Haushalt auch nur annähernd zu ermöglichen. Also weiter sparen, hoffen, sparen und nochmals sparen.
Alle Beschlüsse ergingen im Wesentlichen einstimmig, getragen von der Erkenntnis: Es ist alternativlos, um an dieser Stelle das Unwort des Jahres 2010 zu verwenden. Stadtrat und Verwaltung haben im letzten Jahr im Rahmen ihrer Möglichkeiten gute, verantwortungsvolle Arbeit gemacht. Und damit meine ich wirklich alle hier! Und: Uns hat der Mut nicht verlassen, denn die Sonne schien ja immer noch über unserer schönen Heimatstadt.
Meine Damen und Herren,
seit Januar gibt es nun die wohl gesicherte Hoffnung, dass es wieder aufwärts geht mit der heimischen Wirtschaft und damit auch mit den Steuereinnahmen. Die SPD-Fraktion bedankt sich ausdrücklich bei den Betrieben, die diese guten Botschaften senden und bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die zu diesen guten Ergebnissen beitragen.
Das haben wir übrigens an den richtigen Stellen schon persönlich getan, auch wenn es ein geschwätziger Verkehrsvereinsvorsitzender Dr. Reicherts mit seinen platten, unwürdigen und entehrenden Phrasen, nicht glauben will. Aber wir erleben ja dieser Tage häufiger, dass ein Doktortitel nicht vor Unsinn schützt. Also: Ende gut, alles gut? Alle Probleme vom Tisch? Aufbruch zu neuen Ufern?
Leider nur zum Teil! Statt nun „den Laden“ tatsächlich auch mittelfristig in Ordnung zu bringen, verfallen CDU und der männliche Teil der FDP-Fraktion, (die weibliche Kompetenz in der FDP-Fraktion muss wohl wider besseres Wissen mitmachen?) zurück in völlig veraltete Handlungsmuster und Rituale. Sie kündigen z. B ohne Not Gemeinsamkeiten auf, wie z.B. bei den KITA-Beiträgen. Und gleichzeitig findet noch eine Märchenstunde á la Dr. Angelika Wensing und ihrer Getreuen statt, die im Ernst meinen, sich auch noch eine Sport- und Bürgerhalle in der Finanzplanung 2014 leisten zu können. Dieser „Zahn“ konnte ihr zwar im HFWA gezogen werden, weniger wohl aus Einsicht, sondern mit der Mehrheit der ökonomischen Vernunft. Die SPD hat zu diesem Thema im Vorjahr alles gesagt, was zu sagen ist. Es bleibt der Appell an die Ratsmehrheit: „Kehren Sie um, und schenken Sie den Menschen in Marienfeld endlich reinen Wein ein!“
Und der in der Vergangenheit emsigste Gegner jeglicher Schulsozialarbeit, der geschätzte Kollege Albert Deittert, meinte im Ernst, er sei zwar inzwischen für Schulsozialarbeit auch an Grundschulen und sehe den Bedarf, es dürfe aber kein Geld kosten. Und wenn er meint, Lehrer könnten das bequem mitmachen, hat er wohl kaum noch Ahnung davon, was die Kollegien an Grundschulen sowieso leisten müssen.
Was soll man von so einer Politik halten? Wie soll man sie nennen und bewerten? Strategielos? Konzeptionslos? Kopf in den Sand? Einfallslos? Realitätsfern? Überlassen wir das Bewerten lieber den außenstehenden Kommentatoren. Doch unsere Hoffnung auf Besserung schwindet.
Meine Damen und Herren,
auch in der wesentlichsten Frage der Haushaltspolitik, der Steuerpolitik, macht die CDU und ihr männliches liberales Anhängsel einen eher unglücklichen Eindruck, wobei ich ja beide Kollegen menschlich sehr schätze.
„50 Prozent der Wirtschaft ist Psychologie“ zitiert Heinz Bünnigmann. Wo der Mann recht hat, hat er recht, aber: Was fang’ ich mit der anderen Hälfte an? Etwas Grundkenntnisse in Mathe und Excel, gepaart mit volkswirtschaftlichen Know-how und gesundem Menschenverstand hätten eher zu verantwortlicherem Handeln für die Zukunft führen können, so wie es SPD, UWG und Grüne schon im HFWA getan haben.
Unser Handlungsmotiv ist, dass auch die kommunale Steuerpolitik zukunftsorientiert sein muss. Ich zitiere aus dem Bericht des Aufsichtsrates eines heimischen erfolgreichen Weltunternehmens: „Im neuen Geschäftsjahr wird es die Aufgabe sein, die erfolgreich umgesetzten Maßnahmen zur Anpassung der Kostenstrukturen und Prozesse an das veränderte Marktumfeld nachhaltig abzusichern und die notwendige Flexibilität zur Wahrnehmung sich bietender Marktchancen zu erhalten. Die mit Nachdruck betriebene Produktinnovation ist fortzuführen.“
100% Zustimmung zu dieser Feststellung! Genau darum geht es auch hier und heute. Dies ist auch der Grund, warum wir, davon sind wir fest überzeugt, sehr verantwortlich im Finanzausschuss zehn Parameter entwickelt haben, die unsere städtischen Kostenstrukturen und den Entschuldungsprozess an die sich verändernde Wirklichkeit im Lande anpasst, die nachhaltig für mehrere Jahre gelten soll und dabei die Flexibilität für die Wahrnehmung neuer Aufgaben ermöglicht.
Daher auch ein nach heutiger Erkenntnis (alles andere ist „Spökenkiekerei“) mathematisch, rechnerisch ermittelter Steuersatz, der bis 2013 einschließlich Bestand haben soll. Und wenn die ganz aktuellen neuesten Erkenntnisse von gestern erfreulicherweise tatsächlich so sind, dass wir diese Ziele bis 2014 auch mit noch günstigeren Hebesätzen erreichen können als bisher schon gedacht, dann brechen wir uns hier und heute keinen Zacken aus der Krone und werden in Anwendung unserer Parameter eben diese als unseren Vorschlag übernehmen.
Daher schlagen wir in Abänderung der Beschlussfassung des HFWA vor, den Grundsteuer B- Satz auf 295% und den Gewerbesteuersatz auf 375% – Punkte festzulegen.
Das sind im Übrigen sogar noch niedrigere Steuersätze, als wenn wir den Beschluss vom Herbst 2010 umgesetzt hätten: Steueranpassungen in Höhe der erzielten Einsparungen. Und das war ein CDU-Vorschlag! Mit einem Ansatz von sozialer Ausgewogenheit. Warum stimmen Sie von CDU und FDP eigentlich jetzt Ihren eigenen Zielen nicht mehr zu? Dürfen Sie nicht? Vielleicht liegt es doch daran, dass die zweiten 50 Prozent der Wirtschaftskompetenz bei CDU und Co eher „aus einem konzeptionellem Vakuum“ bestehen?
Ja, ich wiederhole es aus dem Vorjahr: Es ist grundsätzlich richtig, das Geld in den Taschen der Bürger zu lassen, wenn man es nicht braucht. Aber wir brauchen jetzt auch etwas mehr, denn alternativ bliebe nur eine neue Verschuldung zulasten der zukünftigen Generationen. Dies haben wir im Finanzausschuss vorgerechnet. Das kann doch im Ernst niemand wollen, nicht einmal „vermeintliche die Einheitsfront CDU und FDP“.
Und, ich wiederhole auch aus dem Vorjahr: Uns macht das Drehen an der Steuerschraube auch keinen Spaß. Aber in Abwägung der Prioritäten zwischen einer Neuverschuldung und Steueranpassungen sind Einnahmeverbesserungen eindeutig vorzuziehen. Das ist verantwortliches Handeln für den „Konzern Stadt“. Die kommunale Infrastruktur hat ihren Preis und der muss nun mal bezahlt werden. Und da sind, ohne es zu verniedlichen, dann eben moderate Anpassungen von 35 Punkten Grundsteuer B (Beispiel: ca. 3,00 Euro / Monat bei Grundsteuermeßbetrag 100) und 5 Punkten bei der Gewerbesteuer (Beispiel: ca. plus 7,50 Euro/ Monat bei 50.000 Euro zu versteuerndem Jahresgewinn) zumutbar für eine vernünftige Infrastruktur.
Und wir bleiben damit am untersten Ende der Skala im Vergleich der Hebesätze, regional, landes- und wohl auch bundesweit! Wir sind ein attraktiver Standort, egal ob der Gewerbsteuersatz 370, 375 oder 380% beträgt.
Was können wir aus den internen und öffentlichen Diskussionen der vergangenen Tage und Wochen lernen? Ich meine es wäre nützlich, dass sich Verwaltung / Politik und die „Top 20 der heimischen Wirtschaft“ mindestens einmal jährlich im letzten Quartal des Jahres zu einem internen, vertraulichen Wirtschaftsforum treffen sollten. Das Gespräch sollte dem gegenseitigen Vertrauen und der gegenseitigen Information dienen, damit auch Sorgen und Nöte sowohl der Unternehmen als auch des „Unternehmen Stadt“ auf den Tisch kommen können. Um es zu verdeutlichen: vermeintliche Lobbyisten wie Herrn Reicherts brauchen wir dabei nicht. Das kann Politik mit Wirtschaft direkt besprechen.
Wir werden also auch 2011 deutlich unter den bisherigen fiktiven Hebesätzen bleiben und fördern die heimische Wirtschaft und die Haus- und Grundeigentümer erneut deutlich mit über 1,7 Mio. Euro. Und zusätzlich haben wir kreisweit sehr, sehr günstige Gebühren bei Wasser, Abwasser und Müll. Darauf sollten wir, Politik, Bürger und Wirtschaft gemeinsam stolz sein. Wir sollten das nicht auf „Primitivniveau“ zerreden.
Und gleichzeitig signalisieren wir dem Landesgesetzgeber, dass wir so viel gar nicht brauchen. Dass es dann auch keine Schlüsselzuweisungen mehr gibt, sollten wir nicht beklagen, denn es passt zu unserem Motto: „Dann machen wir es eben allein!“
Soweit mein einziger heutiger gedanklicher Ausflug in die Landespolitik.
Meine Damen und Herren,
was zeichnet also den guten Hirten, den Pastor, aus? Ein Bild, das Dir, lieber Heinz Bünnigmann und deinen Christdemokraten bestens vertraut sein müsste:
Der gute Hirte kümmert sich im Jetzt und Heute um seine gesamte Herde und die Hütehunde, nicht nur um den Leithammel, und sorgt für die Zukunft vor.
Zukunft vorsorgen, Zukunft sichern und Zukunft gewinnen bedeutet aus Sicht der SPD –Fraktion Dreierlei:
1.) Wir sichern eine angemessene Wirtschafts- und Infrastruktur mit sicheren und guten Straßen, ökologisch sanierten Gebäuden und eine unabhängige Grundversorgung mit existentiellen Lebensgrundlagen bei Wasser, Abwasser und Strom. Zur Zukunftsvorsorge gehört auch die kluge Entscheidung des Stadtrats, bei positivem Ausgang der Ausschreibung, ab 2014/2015 in die städtische Infrastruktur und jährlich 300 T€ Betriebskosten für den Schienenpersonennahverkehr zu investieren. Dies dient insbesondere dem Güterverkehr unseres größten Gewerbesteuerzahlers und ist ohne Frage Wirtschaftsförderung. Auch hier sehen wir uns in der Verantwortung, dies, wenn möglich, ohne Kreditaufnahme zu schaffen.
2.) Wir bauen auch im Hinblick auf den feststehenden demografischen Wandel weiter um, bei Bildung, bei Qualifizierung und bei der Betreu-ung: „Kein Kind darf zurückbleiben!“ Daher stehen wir ein für mehr vernetzte Schulsozialarbeit, für beitragsfreie Bildung von der KITA bis zum Studium und für sinnvolle pädagogische Projekte wie das KITA- Frühstück. Wer wie Frau Dr. Wensing familienpolitische Maßnahmen, wie die reduzierten KITA- Beiträge, als „Luxus“ bezeichnet, hat schlichtweg nichts begriffen, zu mindestens nicht, dass all dies zukünftig die beste Wirtschaftsförderung vor Ort ist.
3.) Wir fördern auch weiterhin das geleistete Ehrenamt als „gesellschaftlichen Kitt“. Das Ehrenamt darf nicht totgespart werden, denn sonst ist das das „Aus“ der solidarischen Gemeinschaft.
Meine Damen und Herren,
Die SPD–Fraktion steht auch zukünftig für sparsame und sozial gerechte Haushaltsführung, für intelligente und zukunftssichernde Investitionen und für gerechte Steuern, damit wir „Fit für 2020“ werden.
Dies wird uns noch die eine oder andere Million kosten, aber die Zukunft der nächsten Generationen ist es uns wert. Und es ist möglich, wenn wir früh genug damit anfangen. Auch mit der Finanzierung. Und dann geht das auch ohne neue Schulden. Also: Die Zukunft beginnt heute!
Meine Damen und Herren,
„Wenn wir uns einig sind, gibt es wenig, was wir nicht können. Wenn wir uneins sind, gibt es wenig, was wir können“, sagte John F. Kennedy. Dieses Zitat stand auf dem Haushaltsplan des Jahres 2009. Es ist auch heute und für die Zukunft richtig.
Abschließend bedanken wir uns daher auch bei der Bürgermeisterin, dem Kämmerer und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung für die gute Unterstützung bei der diesjährigen Haushaltsplanberatung. Der Haushaltsplan hat deutlich an Transparenz und Informationsgehalt gewonnen. Das ist der richtige Weg. Weiter so!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.“