Nach kontroverser und im Vorfeld auch sehr emotionaler Debatte hat der Stadtrat in seiner letzten Sitzung in geheimer Abstimmung dem Antrag der Mennonitischen Brüdergemeinde e.V. auf Errichtung eines neuen, dritten Gemeinschaftshauses mit 15 zu 12 Stimmen entsprochen. Die sieben anwesenden SPD-Ratsmitglieder haben dagegen gestimmt, wie Fraktionssprecher Reinhard Hemkemeyer in seinem Debattenbeitrag angekündigte und zugleich deutlich machte: „Dies ist keine Entscheidung gegen die Menschen, sondern eine für die gewerbliche Planung.“ Besonders irritiert die SPD-Fraktion der Sinneswandel der CDU im Umgang mit Gewerbegrundstücken.

Lesen Sie hier die Argumente der SPD-Fraktion, die die Ratmitglieder der SPD-Fraktion dazu bewogen haben mit „Nein“ zu stimmen:
Meine Damen und Herren, liebe Ratskolleginnen und Ratskollegen,
der Einspruch der Ausschussmitglieder Berheide, Bückmann und Gerhard gegen die Beschlussfassung zu TOP 9 der PBA-Sitzung vom 21.06.2022 ist zwar formell zulässig, aber inhaltlich unbegründet. Im Ergebnis wird die SPD-Fraktion dem weiteren Bau eines Gemeinschaftshauses auf dem Grundstück Adam-Opel-Straße 11 nicht zustimmen.
Warum?
- Die SPD-Fraktion hat bereits im PBA gegen die erforderliche Ausnahmegenehmigung für eine „Anlage für kirchliche Zwecke“ votiert, weil das Bauvorhaben in einem Gewerbegebiet liegt. Wir sind der Meinung, dass wir angesichts der Gewerbeflächensituation in unserer Stadt keine Optionen und keinen Quadratzentimeter Gewerbefläche unnötig umwandeln oder gar „verschenken“ dürfen. Bis heute waren wir der Auffassung, dass dies auch der bisherige einhellige Konsens der Fraktionen des Stadtrats war, der u.a. zuletzt an einem Zwangsversteigerungsverfahren am Prozessionsweg teilgenommen hat, um unliebsame Fremdnutzungen an exponierter Stellung auszuschließen und im Ergebnis gewerbliche Nutzung zu ermöglichen. Insoweit verstehen wir die Positionierung insbesondere der CDU-Fraktion oder anderer „Zustimmer“ und „Ja-Sager“ ausdrücklich nicht. Der Einwand, dass auf dem Grundstück schon seit Jahren keine gewerbliche Nutzung stattfindet, macht es nicht besser. Wir erinnern an die vielen Diskussionen hier im Rat genau zu diesem Gewerbegebiet, wo wir uns genau darüber aufgeregt haben, dass preiswertes Gewerbegebiet für vorrangiges Wohnen „umgewidmet“ wurde. Und wir haben ja anschließend gerade deshalb auch die Bedingungen für den Verkauf von Gewerbeflächen verändert (zunächst muss der gewerbliche Teil erstellt werden und erst dann bzw. maximal parallel das private Wohnhaus. Dies ist keine Entscheidung gegen die Menschen. Aber gerade deshalb sollten wir, nein müssen wir, an dieser Stelle „heute hart bleiben“.
- Die drei Einwender verweisen ebenso wie die Verwaltung in ihrer Ursprungsvorlage auf einen vermeintlichen Berufungsfall wegen der genehmigten Moschee in direkter Nachbarschaft. Die SPD-Fraktion sieht diesen Berufungsfall ausdrücklich nicht, weil es damals bei der Moschee um die kommunal begleitete (erstmalige) Ermöglichung der Ausübung der Religionsfreiheit ging. Bei dem hier zu votierenden Bauvorhaben geht es aber nicht um Religion, sondern bereits um ein drittes Objekt, um ein Jugend- und/oder Seniorenhaus mit freikirchlichem Background. Die Religionsausübung ist ausdrücklich nicht gefährdet. Die Mennotische Brüdergemeinde e.V. betreibt bereits zwei weitere Gemeindehäuser. Nachrichtlich verweisen wir zudem auf vier Jugendheime in 3 Ortsteilen, die man grundsätzlich sicherlich nicht als „völlig überbucht“ ansehen kann.
- Das geplante freikirchliche neue dritte Gemeindehaus in seiner Ausgestaltung, Massivität und Wuchtigkeit gefällt uns im Übrigen auch baulich nicht. Es passt aus unserer Sicht nicht zur Umgebung. Auch die Lösungen für die Parkplatzsituation sehen wir sehr kritisch. 30 Parkplätze für 300 Besucher:innen sind uns zu wenig. Die Auswirkung dieses massiven Bauklotzes und der Parksituation auf die gewerbliche Nutzung bei den anderen Gewerbetreibenden in diesem Gebiet sehen wir zudem unzureichend bewertet.
- Eine weitere sozial- und integrationspolitische Bewertung des Bauvorhabens wollen wir an dieser Stelle nicht vertiefen. Aber: Diejenigen, die heute dem Einspruch stattgeben wollen, mögen bei ihrem „Ja“ bitte bedenken, mit welchen Argumenten sie dann bei zukünftig möglichen Bauanträgen, so wie in etlichen Kommunen geschehen, zu einer freikirchlichen betriebenen Kita, einer freikirchlich betriebenen Grundschule oder eine freikirchlichen Sporteinrichtung Stellung nehmen oder gegenhalten wollen.
Fazit: Uns scheint die Diskussion neben der Faktenlage doch auch mit viel Emotionen und Emotionalität belegt zu sein, zumal auch die 3 Einwender in ihrem Schlusssatz meinen, der Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes sei in Gefahr. Das ist natürlich Unsinn, aber vor diesem Hintergrund scheint uns eine geheime, freie Abstimmung eines jeden Ratsmitglieds die beste Form einer echten gewissenhaften Entscheidung mit allen Facetten in dieser Frage zu sein.